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Maximiliane Buchner, Anna Minta (Hg.): Raumkult – Kultraum, Zum Verhältnis von Architektur, Ausstattung und Gemeinschaft, Linzer Beiträge zur Kunstwissenschaft und Philosophie, Band 10, transcript Verlag, Bielefeld 2019, Softcover, 256 Seiten, ISBN: 978-3-8376-4697-9, Preis: 29,99 Euro
Link: https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-4697-9/raumkult-kultraum/
Dieses hier zu besprechende Buch geht auf eine Tagung an der katholischen Privat-Universität Linz im März 2018 zurück. Die Leiterin der Tagung war die Mitherausgeberin Professorin Dr. Anna Minta, die das Projekt „Heilige Räume in der Moderne. Transformationen und architektonische Manifestationen leitet“. Dieses Projekt ist mit der Professorin von der Universität Zürich (Schweiz) nach Linz (Österreich) umgezogen.
Übersicht über den Inhalt
Die Sammlung der Texte beginnt mit einem Nachruf (Autorin: Monika Leisch-Kiesl). Professor Günter Rombold (1925 – 2017) war bis 1995 Professor in Linz und hat als Theologe und Priester das Interesse für Kirchenbau speziell der Moderne sehr gefördert. Er hat ein umfangreiches Archiv über den Kirchenbau der Moderne aufgebaut, sein Spezialgebiet.
Das Thema des Buches signalisiert das Interesse für das Übergangsprojekt Kirchenbau und säkulare Gesellschaft. Auf den ersten Teil, einen Artikel von Anna Minta gehe ich unten noch ein, da er die Grundsatzfragen des Phänomens beantwortet.
Im zweiten Teil wird in einem internationalen Rundblick gezeigt, wo in der Gesellschaft sakrale Elemente in profaner Architektur aufgegriffen wurden, z. B. in Gedenkstätten, Museen, Hochzeitskapellen, Bibliotheken u. a..
Der dritte Teil ist modernen Sakralprojekten gewidmet. Einige Texte befassen sich auch mit der Frage der Um- und Nachnutzung geschlossener Kirchen („Wohnraum Kirche“/ „Was bleibt, wenn Kirche geht?“) und kirchlicher Projekte wie „Citykirchen“ und „temporäre Kunst im Kultraum“.
Sakralisierung und Säkularisierung
Als Grundsatzartikel sehe ich den ersten Teil: „Öffentliche Bauten als (Kult-) Orte der Gemeinschaft. Sakralisierungsprozesse in der Architektur.“ (Anna Minta, S. 23 – 43). Dabei möchte ich den interessanten und mit Architekturbeispielen reich bebilderten Artikel gar nicht wiedergeben, sondern die Begrifflichkeiten der Schnittstelle Architektur/Kirche aufgreifen. In der Architektur ist zwangsläufig das Phänomen der Religion zur pragmatischen, säkularen Begrifflichkeit geworden.
Säkulare Gebäude, sakraler Stil
Dieser Übergang ermöglicht auch die Zitation von Elementen der Kirchenarchitektur in Bahnhofshallen, Museen, Fabrikgebäuden, Kaufhäusern und anderen säkularen Gebäuden der Moderne. Solche Bauwerke wurden oft auch als Kathedralen der Moderne bezeichnet. Anna Minta umschreibt das Phänomen: „Hinter vielen Bauten und Projekten scheint die Sehnsucht nach dem Außeralltäglichen, dem Besonderen, dem Herausragenden bis hin zum Auratischen und Heiligen zu stehen.“ (S. 27).
Beschreibung des Religiösen im Dienst der Raumvorstellung.
Architektur dient der Raumgestaltung. Hierzu gehört nun die Frage, was einen Raum auszeichnet, der religiöse Ausstrahlung hat oder der einer Religion als Heimstatt dient.
Zusätzlich zu speziellen Kultfragen ist hierbei auch immer von einem „Zugehörigkeitsgefühl“ zu „Gemeinschaften“ die Rede. Die Gestaltung des Raums wird sakral definiert: „Es sind soziokulturelle Konstruktionen symbolisch verdichteter Orte, die kollektive Deutungs- und Wertsysteme vermitteln und das soziale Handeln der Gemeinschaft sowie ihre Identität prägen.“ (S. 31).
Übergang Glaube und säkulare Sprache
Mir ist gerade durch diesen Satz klar geworden, dass der Kirchenbau in der Sprache der Architektur säkular und religiös funktionieren muss. Diese Sprache ist kein Ausdruck religiöser Hierarchie, sondern im Sinn der Moderne von jedem Kirchenmitglied nachvollziehbar. In der Sprache der Architektur ist Religion in der Moderne säkular beschrieben mit den Begriffen Symbol, Deutung, Wertsystem, Gemeinschaft und Identität.
Diese Begriffe können in Bezug auf verschiedene Religionen variieren. Dass diese sprachliche Entwicklung von Seiten der Religionen nicht nur als Verlust, sondern auch als Chance erlebt wird, lässt sich am Beispiel der Architektur zeigen.
Das fasst die Autorin m. E. In folgendem Satz zusammen: „Dass die Institution Kirche mit der Säkularisierung ihre Deutungshoheit und ihr Monopol an Sinn- und Ordnungsstiftung verlor, trug jedoch zu dem neuen, heterogenen und polyvalenten Verständnis des Heiligen bei.“ (S. 33).
In der Dokumentation dieser Tagung wird die Umschaltung zwischen Kirche und Welt in seltener Klarheit ausgearbeitet.